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Sehr geehrte Collegae et Collegi, liebe Studiosae et Studiosi, Libertas ex
pietate Lasst mich mit einem Bild beginnen: Ich
schwebe als Adler – der Zauber, nehme ich an, ist bekannt – über die schönen
Rundungen Sumus. Ich tauche in die weiße flaumige Wolkendecke ein und komme schließlich
über den Wolken heraus. Blauer Himmel und das Praiosrad leuchtet in seiner ganzen Macht
und gleißenden Schönheit. Doch kehren wir zurück
zu meinem Flug als Adler. Ich fliege also über Dere. Die Wolkendecke wird wieder dünner
bis sie ganz verschwindet. Plötzlich sehe ich eine Ansiedlung unter mir; es ist ein
Fischerdorf an der Nordküste des Meeres der Sieben Winde. Ich gehe tiefer und schaue
hinunter in das Treiben der Gassen und Plätze. Da sieht man blonde Hünen, die ihre Haare
zu Zöpfen gebunden haben, und von denen einer die Kraft von zwei Mittelreichern hat.
Viele sind am Hafen bei ihren Schiffen. Thorwaler, eines der stolzesten Völker
Aventuriens, und bekanntlich sind sie besonders stolz auf ihre unbegrenzte Freiheit auf
See, auf ihre Gelage, kurzum: Auf ihr ganzes Leben. Nach genauerer Betrachtung müssen wir dies negieren! Ad locationem primum: Auf dem großen weiten Meer? Ja, es stimmt. Das Meer ist groß und weit und wohl mehr oder weniger ohne Grenzen. Doch nicht die, die auf ihm fahren. Sie sind beschränkt auf einen sehr engen Raum – nämlich auf ihr Schiff. Auch haben sie nicht die uneingeschränkte Freiheit überall hinzufahren, denn das Wetter und die See können auch sie nicht beeinflussen. Ad locationem secundum: Bei ihren Festen, wo alles erlaubt und nichts verboten (oder eingegrenzt) ist? Ich weiß, dass Thorwaler einiges von RAHjas Rausch leicht vertragen, doch es kommt bei jedem – sine exclusio – irgendwann der Zeitpunkt, wo dies nicht mehr der Casus ist. Und dann, spätestens dann frage ich mich: Wo liegt ihre Freiheit, wenn sie sich nicht mehr rühren können und unter den Tischen liegen? Ich darf dazu aber sagen, dass "die Thorwaler" natürlich ein zu verallgemeinerndes Collectiva ist, da es sicher Thorwaler gibt, die sich nicht ganz dem Alkohol ausliefern – ad exemplum die hochgeschätzten Magi et Magae, die bei uns zu Besuch waren. (Opus no. 8) Also auch dieses vermeintlich so freie Volk muss sich Regeln, Gesetzen und Gewalten unterwerfen und durch sie begrenzen lassen und überdies sind – wie ich meine – ihre Grenzen ziemlich eng! Doch auch hier möchte ich nicht verweilen. Weiter geht die Reise über Felder,
Wälder, Steppen, über kleine Dörfer, die wie verstreute Erbsen aussehen und große
Städte wie belegte Fladenbrote. Mein nächstes Ziel ist eine Ansammlung von Menschen,
Kulturen und Religionen, alle auf sehr engem Raum beisammen, eine große Stadt also. Ich
umkreise sie und sehe das Armenviertel mit seinem Dreck, das Bürgerviertel mit seiner
Einfachheit, sehe die Tempel der Götter als Edelsteine herausleuchten und sehe das
Viertel der Reichen und Adligen. Mitten in diesem erhebt sich stark und mächtig eine
Feste. Ein prächtiges Schloss – zum einen wehrhaft und schützend, zum anderen
kunstvoll geziert und pompös herausgeputzt. Ist er frei? Kann er tun und lassen, was er
will? Denn die Götter geben uns die Grenzen wohl um freier zu werden... Doch ich erhebe mich noch einmal von meinem Nachtlager und fliege fort, lasse die Stadt, die Burg und die Leute darin hinter mir. Ich fliege in ein Gebirge, das so majestätisch und uralt scheint, dass Ehrfurcht über diese Schönheit und über dessen Alter in mich strömt. Plötzlich sehe ich aber in dieser mächtigen und unbezwingbaren Natur ein Gebäude – wohl auch schon älter als alle Lebenden in ihm. Ich gleite lautlos näher und sehe Menschen in Roben ihren Studia nachgehen. Ich komme näher und sehe EUCH. Ja, uns sehe ich in EURER Academia Limbologica, wie ihr nach WISSEN und ERKENNTNIS strebt. Und ich denke bei mir: Dies sind Menschen, die dem "frei sein" sehr nahe sind. Denn auch wenn ihr es nicht in eurem Bewusstsein merkt, ihr arbeitet fortwährend an eurer Freiheit. Ihr werdet fragen: "Warum, wir müssen studieren, Zauberformeln nach genauen Regeln und Riten erlernen, müssen uns an die Bräuche der Akademie halten und an die altehrwürdigen Normen, denen ein Magus sowie eine Maga gerecht werden muss. Wir sind von Grenzen umgeben!" So sage ich euch: "Alle streben nach äußerlicher Freiheit, aber nicht nach der Freiheit des Geistes und nur darin kann die wahre Freiheit liegen. Die Zwänge und Grenzen, denen ihr ausgesetzt seid, sind äußerliche Zwänge und Regelungen. Doch ihr seid frei oder werdet noch frei werden durch euer WISSEN und euren VERSTAND." Eine weitere Frage eurerseits könnte nun lauten: "Wie kann man diese Gabe des freien Geistes erlangen?" Ich sage euch: "Es gibt nur einen Weg: Das Einhalten von Gesetzen und Regeln, die euch auferlegt werden, dient euch, indem ihr euch auf das WESENTLICHE konzentrieren könnt." Und ihr werdet weiters wissen wollen: "Was ist das Wesentliche?" "Das Wesentliche ist das Streben nach Wissen und Erkenntnis. Durch unsere
Herrin HESinde ist uns Menschen der Verstand gegeben. Sie schenkt
uns das Werkzeug um frei zu werden. Und nur durch den GLAUBEN, durch die Wahrung der
HEILIGEN GESETZE und durch die DEMUT und TREUE zu IHR, der HERRIN
der WEISHEIT, können wir freier werden als das WASSER im Meer, der WIND in der luftigen
Höhe, das EIS auf den Spitzen der Berge, das FEUER in der Glut des Vulkans, der FELS im
Herzen des Gebirges und die ERDE auf dem Antlitz Deres. Ich danke euch im Namen der Göttin HESinde für eure Aufmerksamkeit und gebe euch hiermit IHREN Segen mit, dass sie Schutz und Schirm über dieses Haus lege, so sie Euch niemals vergesse und ihr sie nicht. Argelia, Geweihte der Göttin von: Christoph Huber
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Der Schwarze Limbus
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